Das bestimmte Integral
Was du hier siehst, ist ein bestimmtes Integral mit der unteren Grenze \(-1\) und der oberen Grenze \(1\). Der Integrand ist die Funktion \begin{equation}\nonumber f(x) = \sqrt{1-x^2} \end{equation} und der Wert des Integrals ist die Hälfte von \(\pi\).
Der Wert des Integrals kann auf verschiedene Weisen berechnet bzw. ermittelt werden. Ich zeige dir zwei davon und versuche dir dabei etwas von meiner Unterrichtsatmosphäre zu vermitteln.
Voraussetzung zum Verständnis sind Kenntnisse der Integral- und Differentialrechnung der gymnasialen Oberstufe. Ferner wird der Satz des Pythagoras von Bedeutung sein.
Los gehts!
1. Integralrechnung
Du kennst Integrationsregeln für Summen, Produkte und lineare Verkettungen. All das trifft auf das Integral \[\int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx \] leider nicht zu. Was nun? Die Struktur des Integranden entspricht einer Verkettung und da ist es zweckmäßig, mit einer geeigneten Substitution ranzugehen. Die lineare Substitutionsregel kennst du, jedoch ist hier nichts linear. Lass mich dir zeigen, wie das im allgemeinen Fall geht. Mach dir aber klar, dass wir nicht unmittelbar die Lösung erhalten werden, sondern ein anderes Integral. Das können wir vielleicht einfacher knacken.
Substitution
Substitution bedeutet nichts anderes als Ersetzung. In unserem Fall wird die Variable \(x\) durch ein geeignetes Substitut ersetzt, konsequent an allen Stellen. Was ist hier denn nun geeignet und welche Gestalt hat das Substitut? Es ist eine neue Funktion und dann geeignet, wenn dadurch das alte Integral zu einem leichter lösbaren neuen Integral wird. \[\varphi=\cos(t)\] ist geeignet. Hä? Wieso das denn? Schau her, wir nehmen das Ausgangsintegral \begin{equation}\nonumber \int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx \end{equation} und ersetzen alle \(x\) durch \(\varphi\) \begin{equation}\nonumber \int_{...}^{...} \sqrt{1-{\color{#1c8fff}\varphi}^2} d{\color{#1c8fff}\varphi} \end{equation} und schreiben das Substitut im Integranden aus: \begin{equation}\nonumber \int_{...}^{...} \sqrt{1-{\color{#1c8fff}\cos^2(t)}} d{\color{#1c8fff}\varphi} \end{equation} Das sieht erstmal komplizierter aus als vorher. Und die Sache mit dem Differential \(d\varphi\) und den gepunkteten Grenzen besprechen wir gleich. Du wirst sehen, wie die Hüllen fallen.
Einschub: Der trigonometrische Pythagoras
Jetzt würde ich im Unterricht dich einen Einheitskreis zeichnen lassen und für einen beliebigen Winkel (im 1. Quadranten) sehen wollen, wo dort dessen Sinus und Kosinus abzulesen wäre. Dann würde ich dich fragen, ob du darin ein rechtinkliges Dreieck erkennst und mich nach Sätzen erkundigen, die du so kennst in solchen Dreiecken. Es ist der populärste Satz, den wir brauchen: der Pythagoras (Hauptsatz). Und die Beziehungen im Einheitskreis würden uns \[ \sin^2(\alpha)+\cos^2(\alpha)=1 \] liefern.
Das Integral vereinfachen
Nimm den trigonometrischen Pythagoras und stelle ihn nach dem Sinusterm um. Du erhältst \[ \sin^2(\alpha)=1-\cos^2(\alpha) \] und das ist es, warum die gewählte Substitution hier was bringt: Der Integrand wird zu \(\sin^2(t)\) und die Wurzel erledigt das Quadrat. Das Integral \begin{equation}\nonumber \int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx \end{equation} wird transformiert zu \begin{equation}\nonumber \int_{\color{#1c8fff}...}^{\color{#1c8fff}...} \sqrt{\color{#1c8fff}\sin^2(t)} d\varphi \end{equation} und zusammengefasst zu: \begin{equation}\nonumber \displaystyle\int_{\color{#1c8fff}...}^{\color{#1c8fff}...} {\color{#1c8fff}\sin(t)} d\varphi \end{equation}
Einschub: Ableitung in Leibniz-Notation
Ein Kernthema in der elften Klasse sind Ableitungen. Du kennst sicher die Schreibweise \(f'(x)\) für die Ableitung einer Funktion \(f(x)\). Das ist schön kurz und für viele Zwecke auch ausreichend. Daneben gibt es aber noch die Leibniz-Notation und die hat es in sich. Erinnere dich an die Definition der Ableitung über den Differentialquotienten: \[ f'(x)=\lim_{x\to x_0}\biggl(\frac{f(x)-f(x_0)}{x-x_0}\biggr) \] Jetzt kann der Differentialquotient in der Leibniz-Notation formuliert werden und die ist \[ f'(x)={\color{#1c8fff}\frac{df}{dx}} \] Du musst wissen, dass beide Seiten der Gleichung die erste Ableitung einer Funktion \(f\) bezeichnen. Das kleine \(d\) steht für eine infinitesimale Differenz, d.h. eine Differenz, die unendlich klein aber nicht Null ist. Sowas nennt man Differential. Schau den Differentialquotentienten an, dort siehst du die Differenzen und der Limes macht diese infinitesimal. Genauer gesagt wird nur die untere Differenz unendlich klein, denn der Limes bezieht sich allein auf die unabhängige Variable \(x\). Die obere Differenz spiegelt das Differenzverhalten der entsprechenden Funktionswerte. Deswegen spricht man auch vom Differential der abhängigen und vom Differential der unabhängigen Variable.
Leider wird diese Notation im Schulunterricht oft anfangs mal kurz erwähnt und verschwindet dann in der Versenkung. Aber jedesmal, wenn du Ableitungen mit deinem CAS-TInspire berechnest, musst du die Eingabe in Leibniz-Notation durchführen. Achte da mal drauf!
Was macht die Leibniz-Notation nun so besonders? Baust du eine Gleichung, indem du die Leibniz-Notation der Kurzform gegenüberstellst, kannst du tatsächlich mit den Komponenten multiplizieren und dividieren und so zu Beziehungen kommen, die sich aus der kurzen Ableitungsformulierung allein nicht ergäben. Ich zeige dir was ich meine. Wir bauen diese Gleichung \begin{equation}\nonumber f'(x) = \frac{df}{dx} \end{equation} und stellen sie nach \(df\) um \begin{equation}\nonumber {\color{#1c8fff} df = f'(x)\cdot{dx}} \end{equation} oder nach \(dx\) um: \begin{equation}\nonumber dx = \frac{f'(x)}{df} \end{equation}
Einschub: Integral in Leibniz-Notation
Nur kurz als Ergänzung. Beim Integral verwenden wir tatsächlich nur die Leibniz-Notation. Das \(\int f\) steht für die infinitesimale Summe der Funktionswerte und das \(dx\) kennst du bereits.
Das Differential im Substitutionsintegral anpassen
Zurück zu unserem Integral. Wir haben \[ \int_{...}^{...} \sin(t) {\color{#1c8fff}d\varphi} \] und betrachten darin das Differential \(d\varphi\). Wie gehen wir damit um? Eine Rechnung können wir nur dann hinbekommen, wenn das Differential mit der Integrationsvariable übereinstimmt. Du musst also aus dem \(d\varphi\) ein \(dt\) machen. Klar? Zur Erinnerung an den Einschub oben: Das Differential \(d\varphi\) ist die infinitesimale Differenz der sogenannten abhängigen Variable, welche mit der infinitesimalen Differenz der unabhängigen Variable über die Ableitung in Verbindung steht. Wenn du das noch nicht gecheckt hast, lies den Einschub nochmal. Jetzt würde ich dich erneut mit dem Differentialquotienten oben konfrontieren und schön Stück für Stück erkennen lassen, dass das hier dasselbe ist, nur auf die Funktion \(\varphi(t)\) bezogen. Ich würde erst dann zum nächsten Schritt gehen, wenn dir das richtig klar wäre.
Die Klarheit ist jetzt da und wir machen weiter. Wir formen \[\varphi'(t)= \frac{d\varphi}{dt}\] nach \(d\varphi\) um und erhalten: \[ d\varphi = \varphi'(t)\cdot dt \] Ab damit ins Integral: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{2.5} \begin{split} & \int_{...}^{...} \sin(t) d\varphi \\ = & \int_{...}^{...} \sin(t) \cdot {\color{#1c8fff}\varphi'(t) dt} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int_{...}^{...} \sin(t) d\varphi = \int_{...}^{...} \sin(t) \cdot {\color{#1c8fff}\varphi'(t) dt} \end{equation} Das Substitut ist \(\varphi(t)=\cos(t)\) und dessen Ableitung \(\varphi'(t)=-\sin(t)\). Damit ergibt sich \begin{equation}\nonumber \int_{...}^{...} \sin(t)\cdot{\color{#1c8fff}\bigl(-\sin(t)\bigr)} dt \end{equation} und zusammengefasst \begin{equation}\nonumber \int_{...}^{...} -\sin^2(t) dt \end{equation} und kosmetisiert \begin{equation}\nonumber -\int_{...}^{...} \sin^2(t) dt \end{equation} Cool, was?
Die Integrationsgrenzen transformieren und fertig
Die Integrationsgrenzen \(-1\) und \(-1\) des Ausgangsintegrals beziehen sich auf das Differential \(dx\). In dem durch die Substitution erhaltenen Integral müssen wir sie durch das Substitut laufen lassen, und damit an das Differential \(dt\) anpassen. Aus \[x=\cos(t)\] folgt: \[t=\cos^{-1}(x)=\arccos(x)\] In diese Umkehrfunktion müssen die alten Grenzen eingesetzt werden um die neuen zu erhalten: \[t_u=\arccos(-1)=\pi\] \[t_o=\arccos(1)=0\]
Wenn du dich jetzt fragst, wo das denn nun wieder herkommt, dann sage ich dir, dass du dir das selber herleiten kannst. Nimm deine Parabel-Schablone. Dort findest du eine Führungsschiene für die Sinus- und die Kosinusfunktion (Ist diesselbe, du musst sie nur verschieden ins Koordinatensystem legen). Oben an der Schablone findest du eine Skala im Bogenmaß. Damit kannst du dir flugs klarmachen, wo die Funktionswerte und die Argumente des Kosinus liegen. Im Unterricht würde ich dir das jetzt demonstrieren und dich damit selbt die neuen Integrationsgrenzen finden lassen.
Damit ergibt sich das bestimmte Integral: \begin{equation}\nonumber -\int_{\pi}^{0} \sin^2(t) dt \end{equation} Mit der Vertauschung der Integrationsgrenzen ändert sich das Vorzeichen des Integrals und so haben wir ein Minus eingespart. \begin{equation}\nonumber \int_{0}^{\pi} \sin^2(t) dt \end{equation}
Zwischenfazit
Wir haben also das Integral \begin{equation}\nonumber \int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx \end{equation} in das Substitutionsintegral \begin{equation}\nonumber \int_{0}^{\pi} \sin^2(t) dt \end{equation} überführt.
Partielle Integration
Das entstandene Integral hat einen Integranden, der strukturiell ein Produkt ist. \begin{equation}\nonumber \int_{0}^{\pi} \sin^2(t) dt \end{equation} ist nichts anderes als: \begin{equation}\nonumber \int_{0}^{\pi} \sin(t)\cdot\sin(t) dt \end{equation} Bei solchen Fällen bietet sich partielle Integration an. Diese Methode ist zurückzuführen auf die Produktregel beim Ableiten, die du im Schulunterricht gelernt hast. Ich zeige es dir. Wir können der Einfachheit halber bei diesem Procedere die Integrationsgrenzen weglassen und mit dem unbestimmten Integral arbeiten. Da das Differential hier eh nicht geändert wird, ändern sich auch die Grenzen nicht.
Von der Produktregel zur partiellen Integration
Soll eine Funktion \(f(x) = u(x)\cdot v(x) \) oder kurz \(f = u\cdot v \) abgeleitet werden, deren Term ein Produkt aus zwei Funktionen ist, nimmt man die Produktregel: \[ f' = u'\cdot v + u\cdot v' \] Die Regel für die partielle Integration entsteht aus dieser Produktregel, indem beide Seiten in ein Integral gestellt werden. Aus \begin{equation}\nonumber f' = u'\cdot v + u\cdot v' \end{equation} entsteht so: \begin{equation}\nonumber {\color{#1c8fff}\int} f' {\color{#1c8fff}dx} = {\color{#1c8fff}\int} u'\cdot v + u\cdot v' {\color{#1c8fff}dx} \end{equation} Das Integral der Ableitung links führt zur ursprünglichen Funktion. Rechts wird das Integral auf beide Summanden verteilt: \[ f = \int u'\cdot v dx + \int u\cdot v' dx \] Wir stellen das einfach nach einem der Integrale um und schon haben wir unsere Regel für die partielle Integration: \[ \int u'\cdot v dx = f - \int u\cdot v' dx \] Ein zwar zunächst kompliziert aussehendes, jedoch äußerst nützliches Werkzeug.
Anwendung der partiellen Integration
Nicht ersprießlich? Na dann schau her, wie wir dieses Werkzeug anwenden. Du musst die Faktoren des Integranden hier \begin{equation}\nonumber \int\sin(t)\cdot\sin(t) dt \end{equation} den Faktoren des Integranden hier zuordnen: \begin{equation}\nonumber \int u'(t)\cdot v(t) dt \end{equation} Demnach muss \begin{equation}\nonumber u'(t)=\sin(t) \end{equation} \begin{equation}\nonumber v(t)=\sin(t) \end{equation} gelten und daraus wiederum folgt: \begin{equation}\nonumber u(t)=-\cos(t) \end{equation} \begin{equation}\nonumber v'(t)=\cos(t) \end{equation} Die vier Dinger bei sowas immer schön rausschreiben! Du musst das wirklich sehen. Bei Unklarheit gehe etwas zurück und machs dir klar!
Klarheit erhellt dich und wir schreiten weiter. Aus der hergeleiteten Regel zur partiellen Integration folgt: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & \int \sin(t)\cdot\sin(t) dt \\ = & -\cos(t)\cdot\sin(t) \\ - & \int -\cos(t)\cdot \cos(t) dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin(t)\cdot\sin(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) - \int -\cos(t)\cdot \cos(t) dt \end{equation} und zusammengefaßt \begin{equation}\nonumber \begin{split} \int \sin^2(t) dt &= -\cos(t)\cdot\sin(t) \\ &+ {\color{#1c8fff}\int \cos^2(t) dt} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) + {\color{#1c8fff}\int \cos^2(t) dt} \end{equation} Die partielle Integration hat unser Integral zerlegt in einen fertigen Teil und ein weiteres Integral. Das ist so auch üblich. Und weils so spaßig ist, widmen wir uns nun diesem neuen Integral und versuchen einfach dieses auch mit der partiellen Integration zu knacken. Verliere trotzdessen nicht das Ziel aus den Augen!
Trial and Error
Wenden wir also die partielle Integration auf das Integral \begin{equation}\nonumber \int \cos(t)\cdot\cos(t) dt \end{equation} an, dann erhalten wir diese vier Komponenten: \[u'(t)=\cos(t)\] \[v(t)=\cos(t)\] \[u(t)=\sin(t)\] \[v'(t)=-\sin(t)\] Das führt zu: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} \int \cos^2(t) dt & = \sin(t)\cdot\cos(t) \\ & + \int \sin^2(t) dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \cos^2(t) dt = \sin(t)\cdot\cos(t) + \int \sin^2(t) dt \end{equation}
Was haben wir erreicht? Es gilt einerseits: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} \int \sin^2(t) dt & = -\cos(t)\cdot\sin(t) \\ & + \int \cos^2(t) dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int \cos^2(t) dt \end{equation} Es gilt andererseits: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} \int \cos^2(t) dt & = \sin(t)\cdot\cos(t) \\ & + \int \sin^2(t) dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \cos^2(t) dt = \sin(t)\cdot\cos(t) + \int \sin^2(t) dt \end{equation} Wir ersetzen nun das rechte Integral und erhalten: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} \int \sin^2(t) dt & = -\cos(t)\cdot\sin(t) \\ & + \sin(t)\cdot\cos(t) \\ & + \int \sin^2(t) \\ \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) + \sin(t)\cdot\cos(t) + \int \sin^2(t) dt \end{equation} Und alles zerfällt zu nichts. Wie es aussieht, war das eine Sackgasse. So geht es also nicht. Warum habe ich das gemacht? Weil es dir zeigen soll, dass du rumprobieren musst um die Dinge auszuloten. Du wirst nicht immer gleich den Königsweg finden und Sackgassen gibt es viele. Aber auf diese Weise gewinnst du an Erfahrung. Denk mal drüber nach!
Tricky TrigoPyth
Der trigonometrische Pythagoras hilft uns mal wieder aus der Patsche. Die Aussage ist \[\sin^2(x)+\cos^2(x)=1\] und wenn ein quadrierter trigonometrischer Term irgendwo auftaucht, lohnt es sich über diese Beziehung nachzudenken um sie als Hilfsmittel zur Vereinfachung einzusetzen. Auch ein Erfahrungswert. Und wie hilft TrigoPyth uns nun konkret? Schau erst nochmal auf die Ausgangssituation: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} \int \sin^2(t) dt & = -\cos(t)\cdot\sin(t)\\ & + \int \cos^2(t) dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int \cos^2(t) dt \end{equation} Wir schleusen jetzt auf beiden Seiten der Gleichung einen Term ein, damit der TrigoPyth ausgenutzt werden kann zu unserem Vorteil: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & \int \sin^2(t) dt {\color{#1c8fff}{} + \int \sin^2(t) dt} \\ = & -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int \cos^2(t) dt \\ {\color{#1c8fff}{}+} & {\color{#1c8fff}{} \int \sin^2(t) dt} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt {\color{#1c8fff}{} + \int \sin^2(t) dt} = -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int \cos^2(t) dt {\color{#1c8fff}{} + \int \sin^2(t) dt} \end{equation} Wir verschmelzen die beiden rechten Integrale und erhalten: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & \int \sin^2(t) dt + \int \sin^2(t) dt \\ = & -\cos(t)\cdot\sin(t) \\ + & {\color{#1c8fff} \int \cos^2(t) + \sin^2(t) dt} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt + \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) {\color{#1c8fff}{} + \int \cos^2(t) + \sin^2(t) dt} \end{equation} Links zusammenfassen und rechts TrigoPyth anwenden ergibt: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & {\color{#1c8fff}2\cdot \int \sin^2(t) dt} \\ = & -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int {\color{#1c8fff}1} dt \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber {\color{#1c8fff}2\cdot \int \sin^2(t) dt} = -\cos(t)\cdot\sin(t) + \int {\color{#1c8fff}1} dt \end{equation} Das rechte Integral ist nun einfach und es ergibt sich: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & 2\cdot \int \sin^2(t) dt \\ = & -\cos(t)\cdot\sin(t) + {\color{#1c8fff}t} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber 2\cdot \int \sin^2(t) dt = -\cos(t)\cdot\sin(t) + {\color{#1c8fff}t} \end{equation} Wir stellen in dieser Gleichung das Integral heraus und haben es endlich geschafft: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{2.5} \begin{split} & \int \sin^2(t) dt \\ = & \frac{-\cos(t)\cdot\sin(t) + t}{2} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = \frac{-\cos(t)\cdot\sin(t) + t}{2} \end{equation}
Schlußakt
Jetzt kommen die Integrationsgrenzen wieder ins Spiel. Mach dir bitte folgendes klar: Das unbestimmte Integral \[\int \sqrt{1-x^2} dx \] ist nicht gleichzusetzen mit dem unbestimmten Integral: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{2.5} \begin{split} & \int \sin^2(t) dt \\ = & \frac{-\cos(t)\cdot\sin(t) + t}{2} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \int \sin^2(t) dt = \frac{-\cos(t)\cdot\sin(t) + t}{2} \end{equation} Das sind zwei verschiedene Funktionen. Erst mit den jeweiligen Integrationsgrenzen erhalten wir Ausdrücke, die den gleichen Wert liefern.
Das bestimmte Integral \[ \int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx \] liefert den gleichen Wert wie: \[ \int_{0}^\pi \sin^2(t) \] In der Formulierung des HDI \[ \frac{-\cos(t)\cdot\sin(t) + t}{2}\biggr|_{0}^\pi \] folgt aufgrund des HDI \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{2.5} \begin{split} & \frac{-\cos(\pi)\cdot\sin(\pi)+\pi}{2} \\ - & \biggl(\frac{-\cos(0)\cdot\sin(0) + 0}{2}\biggr) \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \frac{-\cos(\pi)\cdot\sin(\pi)+\pi}{2} - \biggl(\frac{-\cos(0)\cdot\sin(0) + 0}{2}\biggr) \end{equation} und wir erhalten wir die Lösung: \begin{equation}\nonumber \def\arraystretch{1.5} \begin{split} & \frac{-1\cdot 0 +\pi}{2} - \biggl(\frac{1\cdot 0 + 0}{2}\biggr) \\ = & {\color{#1c8fff}\frac{\pi}{2}} \end{split} \end{equation} \begin{equation}\nonumber \frac{-1\cdot 0 +\pi}{2} - \biggl(\frac{1\cdot 0 + 0}{2}\biggr) ={\color{#1c8fff}\frac{\pi}{2}} \end{equation} Und falls dir die Sinus- und Kosinuswerte nicht klar sind, denk an die Parabel-Schablone...
2. Via Graph
Hier siehst du das Motiv meiner Visitenkarte. Es zeigt das Integral und den Graphen der Funktion \[ f(x) = \sqrt{1-x^2} \] Du kannst das auch so schreiben: \[ y = \sqrt{1-x^2} \] Toll, oder? Was bringt das nun an Erkenntnis? Heben wir mal die Wurzel weg. Dann entsteht: \[ y^2 = 1-x^2 \] Jetzt bringen wir das \(x^2\) noch auf die andere Seite: \[ 1 = y^2 + x^2 \] Kommt dir das bekannt vor? Hoffentlich. Denn der Ausdruck hat die Struktur des Satzes des Pythagoras. Jetzt musst du das noch im Kontext richtig interpretieren. Stell dir ein rechtwinkliges Dreieck vor, dessen Hypothenuse die Länge \(1\) und dessen Katheten die Längen \(x\) und \(y\) haben. Damit hat jeder Punkt des Graphen der Funktion \(f\) einen Abstand von der Länge \(1\) zum Ursprung. Mach dir das klar! Da Quadrate niemals negativ sein können, wird somit ein Halbkreis vom Radius \(1\) gebildet.
Vom Graphen zum Integral
Das bestimmte Integral kann als Flächeninhalt des Graphen einer Funktion über der \(x\)-Achse in einem Grenzbereich interpretiert werden. Unsere Grenzen sind \(-1\) und \(1\). Der Graph ist ein Halbkreis vom Radius \(1\). Nach der Flächenformel für den Kreis mir Radius \(r\) gilt: \[ A=\pi\cdot r^2 \] Mit Radius \(1\) ergibt sich: \[ A=\pi\cdot 1^2 = \pi\cdot 1=\pi \] Da wir nur einen Halbkreis haben, folgt daraus: \[\int_{-1}^1 \sqrt{1-x^2} dx = {\color{#1c8fff}\frac{\pi}{2}}\]
Bilanz
Dies sind nur zwei Methoden, um dem beizukommen und wie eingangs erwähnt: es gibt noch andere. So kann man z.B. mit Polarkoordinaten arbeiten usw. Vielleicht stelle ich noch eine Methode vor, wenn ich mal Lust dazu habe.
Wie du hier gesehen hast ist Mathematik wie Handwerk. Du hast einen mehr oder weniger gut gefüllten Werkzeugkasten und ein Problem. Der Reihe nach wendest du verschiedene Werkzeuge an, um diesem Problem beizukommen. Und je größer deine Erfahrung ist, desto vielseitiger kannst du deine Werkzeuge einsetzen und desto professioneller sind die Werkzeuge. Aber wie im Handwerk gilt eben auch hier: von nichts kommt nichts. Du musst es erlernen! Und dabei helfe ich dir.